Adam und Eva in den Anden: Guaman Pomas Geschichte der Menschheit

Die Primer nueva corónica y buen gobierno (1615) von Felipe Guaman Poma de Ayala ist bekannt als Gegengeschichte zu den spanischen Chroniken der sogenannten Eroberung Amerikas. Der illustrierte Text des andinen Adligen ist jedoch weit mehr als das. Denn zu Beginn präsentiert Guaman Poma eine neue Geschichte der Menschheit: Die Anden werden zum Ort des einstigen Paradieses. Und die ersten andinen Menschen zu direkten Nachkommen von Adam und Eva, die von Anfang an Gott dienten und schon weit vor der Zeit des Inkareichs genuine politische Gemeinwesen schufen. Dass sich seine Vorfahren während kriegerischer Auseinandersetzungen in die vermeintliche Antithese der menschlichen Gesellschaft verwandelten – nämlich in blutrünstige Berglöwen, Jaguare, Falken und andere wilde Tiere – ist für Guaman Poma kein Widerspruch. Denn das Verhältnis von «Natur» und «Kultur» wird von ihm neu verhandelt.

Wie ich an diesem und weiteren Beispielen zeigen möchte, präsentiert Guaman Poma eine subversive Umdeutung europäischer Stereotypen über die Menschen in der «Neuen Welt». Er begründet eine neue Denkweise, die gegen bekannte Argumente aus der lateinischen Denktradition immun ist. Die Neue Chronik des andinen Intellektuellen eignet sich deshalb ideal für eine quellenbasierte Entwicklung postkolonialer Perspektiven auf vormoderne Differenzsetzung.

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