Camphill: Behinderte Menschen und die naturalisierte Kulturkritik der Anthroposophie in europäischer Perspektive, 1930er-1980er Jahre
Intervention dans le panel Randgruppen - die sozialen Seiten der Natur [Panel #32]
Einige anthroposophische PädiaterInnen erkannten im frühen 20. Jahrhundert in Behinderung eine kulturkritische Metapher. Für sie legte der Umgang gerade mit geistig behinderten Menschen die destruktive Qualität von Profitgier getriebener Industriegesellschaften offen. Die «Seelenpflege», der behinderte Menschen bedürften, könne ihnen nur eine «natürlichere» Umwelt bieten. Mit diesem Impetus gründete Karl König 1939 vor den Toren Aberdeens die erste Camphill-Community. Diese abgelegenen Dörfer, deren BewohnerInnen unentgeltlich landwirtschaftlich und handwerklich tätig sind, expandierten nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Kontinent in unterschiedlicher Ballung. Ab den 1970er Jahren büssten sie vielerorts ihren Status als integrativer Vorreiter ein. Eine Broschüre aus diesem Jahrzehnt über eine Dorfgemeinschaft am Bodensee glaubte dennoch daran, dass aus diesen Naturkollektiven eine Weltrevolution entspringen könnte. «Das einfache Leben […] soll vor allem heilen. Die Camphill-Bewegung baut eine neue Welt auf, in der die Menschen nicht ausgebeutet werden.» Doch wie erlebten die einzelnen Villagers ihre teils selbst gewählte, teils verordnete Naturnähe? Wie unterschieden sich ihre (Natur-)Wahrnehmungen (z.B. nach Geschlecht) und welchem Wandel unterlagen sie? Basierend auf der Camphill-Zeitschrift The Cresset, Beiträgen europäischer Behindertenbewegungen sowie auf Material aus Camphill-Archiven blickt dieser Beitrag erstmals aus Sicht der Disability History auf diese Communities.