«Nicht ein todtes Aggregat ist die Natur»: Humboldts Naturwahrnehmung im Spannungsfeld von Wissenschaft, Romantik und Kunst

Das Verhältnis Alexander von Humboldts (1769–1859) zur ‹Romantik› ist ein bis heute viel diskutiertes Desiderat der Forschung. Oft wird dabei Humboldts Beziehung zu einzelnen Romantikern und die Entwicklung dieses Kontakts beleuchtet. Aber auch der Inhalt von Humboldts Werk gibt Anlass zu Nachforschungen seiner Verbindung zur Romantik: Von den frühen experimentellen und literarischen Arbeiten zur Lebenskraft in den 1790er Jahren bis hin zum holistischen Anspruch seiner Ansichten der Natur und des Kosmos in den 1840er und 1850er Jahren lassen sich Parallelen zu zentralen Aspekten der romantischen Naturforschung und zu den Totalitätskonzepten der Romantik bei Humboldt entdecken. Das Romantische ist in Humboldts Werk demnach von einer erklärungsbedürftigen langen Dauer. Sie greift über die Epochengrenze der Romantik hinaus und wirft so die Frage auf, ob eine epochale und akteursbezogene Begrenzung von Romantik möglich ist. In Anlehnung an Stefan Matuschek schlägt der Beitrag eine andere Deutung des Romantischen bei Humboldt vor, nämlich als spezifischer Denkstil, der sich in Inhalten ebenso äussert wie in der formalen Gestaltung des Werkes und des Schreibprozesses.

In einem zweiten Schritt sollen dann die Grenzen und Vermittlungsstrategien von Humboldts holistischer Naturwahrnehmung beleuchtet werden. Über sie gibt er in seinem Kosmos Auskunft und präsentiert sie als Ergebnis eines dialektischen Prozesses, der sich zwischen empirischer Wissenschaft und künstlerischer Einbildungskraft entfaltet.

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