More-than-Human Histories: Herausforderung für die Geschichtswissenschaft im Zeitalter des Anthropozän
Intervention dans le panel Historiker*innen in der Klimawende [Panel #8]
Jahrtausende lang hatte die Anwesenheit des Homo Sapiens kaum Spuren auf der Erde hinterlassen. Aber mit der Industrialisierung - und vor allem seit dem Zweiten Weltkrieg - kamen Entwicklungen in Gang, die den Planeten in zuvor nie dagewesener Weise verändert haben. Die Apokalypse ist in Romanen und Filmen zum beliebten Genre geworden. Aber mittlerweile droht die Wirklichkeit die Fiktion in den Schatten zu stellen: Der Anstieg von Treibhausgasen, die Vergiftung der Böden, die Übersäuerung der Ozeane, das Artensterben - eine Fülle von sich überschlagenden Entwicklungen weisen alle in die gleiche Richtung: Wir sind dabei unsere Lebensgrundlage zu zerstören.
Um die ökologische Krise des 21. Jahrhunderts zu bewältigen und einen Wandel herbeizuführen bedarf es mehr als nur technischer Lösungen. Hier sind insbesondere die Umweltgeisteswissenschaften gefordert. Der vom Menschen verursachte Klimawandel und die derzeitige Pandemie haben uns noch einmal drastisch vor Augen geführt, dass Mensch und Natur nicht getrennt voneinander gedacht werden können. Viren kennen keine Grenzen; die Aktivitäten des Menschen haben sich tief in die Erdoberfläche und in die Atmosphäre eingeschrieben; Landschaften werden nicht nur von Menschen, sondern auch von more-than-human bodies geformt. Was bedeuten diese Einsichten, die wir aus den Naturwissenschaften kennen, für die Geschichtsschreibung? Eine Fokussierung auf menschliche Akteure, wie wir sie in der Geschichtsschreibung seit alters praktizieren, scheint überholt. Kann es eine Geschichtsschreibung geben, die einerseits die menschliche Verantwortung für die Zukunft des Planeten ernstnimmt, andererseits nichtmenschliche Akteure, wie Bäume, Regenwürmer oder Mikroben, sinnvoll in historische Narrative einschreibt? Wie problematisch wäre eine Geschichtsschreibung, die die zentrale Bedeutung des Menschen relativiert? Gibt es schliesslich, angesichts der prekären Lage, in der sich der Planet Erde befindet, funktionierende Narrative der Hoffnung?