«Schlanke Fesseln, der Stolz der Dame». Die Entstehung optimierter Weiblichkeit durch den Konsum medizinisch-kosmetischer Vibrationsgeräte um 1900

Wie wenig trennscharf Natur und Kultur voneinander abgrenzbar sind, analysiere ich in meinem Beitrag an der Schnittstelle von Medizin- und Konsumgeschichte und erforsche, wie Weiblichkeit durch den Verkauf medizinischer Geräte im deutschsprachigen Raum des ausgehenden 19. Jahrhunderts konstruiert wurde. Modellhaft untersuche ich das Feld der Vibrationsmassagegeräte, die zunächst zur medizinischen Behandlungspraxis gegen die entstandene neue Natur der Moderne genutzt und bald nach ihrer Markteinführung zur Schönheitsbehandlung von Frauen verkauft wurden. Im ausgehenden 19. Jahrhundert waren Geschlechterunterschiede nicht nur gesellschaftlich bedingt, sondern wurden medizinisch begründet und biologisiert. Gleichzeitig ermöglichte das Wissen der medizinischen Forschung, den Körper nicht als natürlich gegeben hinzunehmen, sondern aktiv zu verändern. Die Vibrationsmassage etwa sollte zunächst Männer und Frauen gleichermassen von organischen, sexuellen und nervösen Erkrankungen heilen. Bald wurde dieses Medizinprodukt auf dem freien Markt verkauft, wodurch sich die Nutzungsbedingungen veränderten; Frauen wurden zur Zielgruppe: Nicht nur bewarben weibliche Models die Geräte, zunehmend für weibliche «Schönheit, Gesundheit, Wohlbefinden» sollten Frauen sie kaufen, um sich «frisch und schlank» zu fühlen. Dem lag ein biologisiertes Bild von weiblichem idealem Aussehen zugrunde. Doch wer entwarf diese optimalen Weiblichkeitsbilder? Welche Rolle spielten kapitalistische Mechanismen wie die Werbung?

Anhand eines heterogenen Quellenkorpus von medizinischen Handbüchern über Werbeanzeigen und Unternehmensunterlagen gehe ich körper- und emotionshistorisch diesen Gesundheits- und Schönheitsfragen im ausgehenden 19. Jahrhundert nach. Ich arbeite heraus, wie die Konstruktion von Weiblichkeit und der Konsummarkt sich in einem ändernden Wissenssystem der menschlichen Natur zwischen familiärer und eigener Gesundheit einerseits und Schönheit andererseits gegenseitig bedingten.

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